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Sonntag, 2. November 2008

Schwertkult im alten Japan

Wie fast jedes Kulturgut einer Nation seine repräsentativen Kunstobjekte hat, besitzt auch die Lobby der japanischen Schwerter eine Anzahl "heiliger Klingen". Diese Schwerter schätzte man wegen ihrer hohen Qualität, ihrer ehemaligen bekannten Besitzer oder der ungewöhnlichen Ereignisse, welche diese Waffe berühmt machten. Die Güte japanischer Schwerter, im Faltschmiedeverfahren gefertigter Klingen, sind für Härte, Stahlqualität, Widerstandsfähigkeit und nicht zuletzt wegen Ihrer Schärfe berühmt und geehrt.
Diesen qualitativ hochwertigen Klingen widerfuhr eine fast religiöse Verehrung. Wenn man davon ausgeht, dass dem Schwert mit seinen Eigenschaften im Krieg der Garant für das Überleben war, verwundert diese Hingabe nicht. "Wenn ich mein Leben einer Waffe anvertrauen muss, dann kann es nur die beste seiner Art sein, die ich bekommen oder mir leisten kann" - der Standardspruch beim Waffenkauf, heute wie vor 500 Jahren. Das solche Klingen von Generation zu Generation weitervererbt werden und für den Besitzer mehr als ein herkömmliches Werkzeug sind ist leicht verständlich.
Es ist aber auch falsch anzunehmen, dass alle japanische Klingen große Kostbarkeiten waren. Teilweise bestand schon im historischen Japan eine Art Manufakturgewerbe, welche Klingen in großer Stückzahl, jedoch minderer Qualität, ausspuckten. Es ist belegt, dass das Inselreich diese Schwerter auch zu großen Mengen ins Ausland exportierte und sogar potentielle Feinde wie China und Korea damit belieferte.
Nach diesen Aspekten und anderen, Güte und Qualität betreffenden Punkten unterteilte der Waffenmeister Yamada Asaemon Yoshimutsu im Jahr 1815 die japanischen Klingen nach folgendem Muster:

Gebrauchsfähige Schwerter

Gute gebrauchsfähige Schwerter

Große gebrauchsfähige Schwerter

Größte gebrauchsfähige Schwerter


Bleiben wir jedoch bei den guten und wertvollen Klingen. Mit der Zeit entwickelte sich ein regelrechter Schwert-Kult. Eine gute Klinge war eine unbezahlbare Kostbarkeit und paarte in sich Schönheit, Geist und Gebrauchsfähigkeit. Eine bestimmte Form der Schwertehrung war die weit verbreitete Art der Namensgebung. Wie Menschen oder vertraute Tiere bekamen sie einen eigenen Rufnamen. Dabei fällt auf, dass einige auf die japanische Silben -maru enden. Maru bedeutet soviel wie "absolut rein" - im Sinne einer reinen Seele. Dieser Zuname war und ist in Japan einzig und allein Schwertern, Schiffen und Kindern vorbehalten, also unschuldigen Geschöpfen oder solchen, denen man sein Leben auf Gedeih und Verderb anvertraut. Eine berühmte Klinge dieser Art ist z.B. die Kogaratsu maru (Kleine Krähe), eine Tachi-Klinge aus dem 9. Jhdt.
Ein anderer beliebter Zuname berühmter Schwerter war die Vorsilbe O- (Groß / Mächtig) wie etwa bei der Klinge O Kanehira (Großer Kanehira) des Schmiedes Kanehira der Provinz Bizen aus der frühen Heian-Zeit.
Alle Waffen dieser Art nannten die Bushi "Bedeutende Schwerter" (Mei to). Diese Glorifizierung war aber keinesfalls ein ausschließliches Privileg der Kampfschwerter. Auch Dolche, Kurzschwerter oder Speere erfuhren solche Auszeichnungen. Die verliehenen Namen bezogen sich meist auf besondere Begebenheiten oder Eigenschaften des bestimmten Schwertes. Ein schönes Beispiel dieser Art sei hier die Klinge Kura giri (Sattelschneider) genannt, welche ihren Namen von einem Erlebnis ihres Besitzers Date Masamune (1566 - 1636), eines mächtigen Fürsten seiner Zeit, bekommen haben sollte. Dieser soll einst mit dieser Waffe einen berittenen Feind mit einem einzigen Hieb vom Scheitel bis zum Sattel gespalten haben - deshalb Sattelschneider.
Berühmt wurden in diesem Zusammenhang auch zwei No dachi (Moorschwerter), welche der Krieger Makara Jurozaemon und sein Sohn in der Schlacht von Anegawa (1570) führten. Beide Männer waren angeblich von enormer körperlicher Stärke, daß sie diese eigentliche Fußvolkwaffe vom Pferd aus, wie ein normales Schwert, handhaben konnten. Makara's Klinge nannte sich Tairo dachi (älteres Schwert) und das seines Sohnes, etwas kürzer, Jiro dachi (Zweitältestes Schwert). Die Geschichte der Bushi ist voll von solchen Legenden und Überlieferungen und zeugt noch heute von ihrer Liebe und ihrem Vertrauen in ihre Waffen.

Die wohl bekannteste aller japanischen Klingen war das Schwert Kusanagi (Grasmäher). Der mystische Prinz Yamato Takeru, Sohn des vorzeitlichen Kaisers Kageyuki tenno rettete einst sein Leben, indem er von Feinden umzingelt in einem weiten Kreis das Gras um sich abmähte, welches seine Gegner angezündet hatten um ihn zu verbrennen. Zuvor erhielt der erste japanische Kaiser Jimmu tenno diese Waffe von der Göttin Amaterasu o no kami zum Geschenk. Diese Klinge zählt ebenso wie der Heilige Spiegel und der Diamant zu den drei Reichsinsignien Japans (Sanshu no shinki).
Die bekanntesten der "neueren heiligen Klingen", welche schon im Mittelalter hoch geschätzten wurden, waren die sogenannten 5 himmlischen Schwerter - die Tenka go ken. Diese Klingen, sämtlichst von ausgesuchter Schönheit und höchster Qualität, waren Produkte früher japanischer Schmiedekunst. Diese Waffen krönten über Jahrhunderte die Waffensammlungen der Herrscher Japans und wurden von Generation zu Generation, hauptsächlich in den Dynastien großer Fürstenhäuser oder der Shogun, weitervererbt.
Die erste dieser Klingen, Doji kiri (Doji spalter) genannt, war ein Exemplar des Schmiedes Yasutsuna, Provinz Hoki (ca. 900 n.Chr.), und gehörte einst dem legendären Helden Minamoto no Yorimitsu (948 - 1021). Er soll mit diesem Schwert einen zauberkundigen Unhold, namens Shuten Doji getötet haben. Dieses Schwert, im Shinogi zukuri Stil, ist mit einer Ko kissaki Spitze ausgestattet und hat eine Klingenlänge von 80 cm. Es fand sich später im Besitz aller Shogun Japans, von den Minamoto, Ashikaga bis zur Tokugawa Familie.
Die zweite Klinge Juzu maru (Heiliger Rosenstrauch) wurde um 1200 n.Chr. vom Schmied Tsunetsugu, Provinz Bitchu, gefertigt. Sie soll dem Kriegermönch Nichiren, dem Begründer der buddhistischen Nichiren-Sekte, gehört haben, die ihre Lehre als einzig wahre Auslegung des Buddhismus verstanden.
Die Dritte, O tenta (Grosser Tenta) genannte Klinge, war ein Meisterstück des Schwertschmiedes Tenta Mitsuyo. Seine 66 cm lange Klinge, versehen mit einer Ikubi Spitze und im Shinogi zukuri Stil gearbeitet, gehörte einst der Shogunfamilie Ashikaga. Von dort gelangte sie über die Familie Toyotomi zum Fürsten Maeda Toshiie (1538 - 1599). Seitdem ziert sie die Sammlung des Maeda Clans.
Eine andere Klinge, die vierte in dieser Sammlung, ist die sogenannte Mikazuki
(Halbmond) des Schmiedes Munechika Sanjo aus der Provinz Yamashiro (ca.1200 n.Chr.). Ihr Name leitet sich von der auffallend, halbmondförmigen Zeichnung der Härtelinie (Hamon) in der Spitze der Klinge ab.
Die letzte und fünfte Klinge, Ichigo hitofuri wurde einst von Yoshimitsu gefertigt. Sie gelangte später zu dem berühmten Feldherren Toyotomi Hideyoshi (1537 - 1598). Da dieser angeblich nie die Gelegenheit fand, dieses Schwert zu benutzen, gab er ihm den Namen Ichigo hitofuri - sinngemäß übersetzt:

 "Einmal im Leben ..."

 

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